RangerTippsNaturbeobachtungen im Herbst
Wie überall im Leben ist auch in der Natur der richtige Zeitpunkt von entscheidender Bedeutung. Lesen Sie, was Sie mit etwas Geduld und Glück entdecken können, was bemerkenswert ist in Brandenburgs Natur.
Vom Altweibersommer bis in den NebelmonatNatur erleben im Herbst
Was haben Frühling und Herbst gemeinsam? Ihre Wandlungsfähigkeit. Während im März die Natur erwacht, läutet der September die Ruhezeit ein. Heute still und leise, morgen aufbrausend und wild. Warmen Tagen folgen kalte Nächte und morgendliche Nebelschwaden verwandeln Wiesen und Weiher in mystische Landschaften. Wie ein Schleier, der sie sanft überdeckt. Sonnenstrahlen lassen Tautropfen glitzern und als hätte die Welt einen Maler bestellt, verfallen tiefgrüne Blätter in einen gelb-orangen Farbenrausch. Das Signal baldiger Entbehrung. Wer bleibt, legt Vorräte an. Wer wandert, begibt sich auf Reisen. Eine Zeit zwischen Kommen und Gehen, Erleben und Sehen, Hören, Riechen und Genießen.
In die Pilze
Viele Pilze sprießen solange es mild bleibt. Noch ist eine bunte Vielfalt an Farben und Formen zu beobachten. Allerdings nur, wenn ihre Betrachter den Blick nicht auf Topf und Pfanne fokussieren.












Pilze sind für ein vitales Waldleben unsagbar wichtig, leben viele doch in enger Symbiose mit unseren Bäumen oder überführen geschwächte in den Stoffkreislauf der Natur. Der Herbstregen ist ein Segen, hat die Trockenheit der vergangenen Jahre sie doch vermissen lassen. Vielleicht ein kleiner Hoffnungsschimmer für die Gesundung des Waldes …
Kräfte messen
Der frühe Herbst ist ein später Sommer und manche erleben jetzt ihren Frühling. Die Brunft des Rotwildes dauert bis in den Oktober hinein. Lautstark stellt der König des Waldes klar, wer in der Rangfolge ganz oben steht. Nebenbuhler werden nicht geduldet und wer sich messen will, fordert den Platzhirsch heraus. Allabendlich versammeln sich die Tiere auf Waldlichtungen zum röhrenden Konzert. Kraftvolle Rufe durchdringen die Stille der Nacht, ein wenig schaudernd, geheimnisvoll und faszinierend zugleich.
Auch Frühaufsteher kommen in den Konzertgenuss: Die ausdauernden Hirsche brüllen bis in den Morgen hinein. Und so kann es sein, dass ihr Ruf zur Dämmerung über den Waldsee schallt. Verstummen die einen, ertönen die anderen. Die Brunftrufe der kleineren Damhirsche, leiser und an ein Grunzen erinnernd, klingen von Oktober bis Mitte November durch den Wald.
MorgenSee




Allmählich klettert der rote Feuerball über den Horizont, auf dem Wasser zeichnen sich die Silhouetten der Schwimmvögel ab. Einige kurz vor dem Abflug, andere auf dem Durchzug, manche schon am Ziel. Für die Nacht am Schlafplatz vereint, bei Tagesanbruch auf getrennten Wegen.
Ein Trupp Graugänse erhebt sich vom See, sie wird es bald in den Süden ziehen. Die kleineren Pfeifenten verraten sich mit ihrem Ruf und schwimmen stellvertretend für eine bunte Vielfalt auf dem Wasser. Knäk-, Krick-, Löffel-, Reiher-, Tafel-, Schell-, Spieß- und Schnatterenten, ihre Namen weisen auf typische Merkmale und Verhaltensweisen hin. So wie die pfeifende Pfeifente, auch eine Form von Musik. Nasale Rufe am Himmel verraten die Nordischen, Anfang Oktober kommen die ersten Bläss- und Saatgänse aus ihren sibirischen Brutgebieten nach Brandenburg. Für sie eine Sommerresidenz.
Mittlerweile steht die Sonne strahlend gelb am Vormittagshimmel. Über den Hochstauden der Ufervegetation gaukeln Schmetterlinge, schnellen Libellen, fliegen Käfer. Am Ufer lauert eine Gerandete Jagdspinne auf Beute. Sie reagiert auf Bewegungen und kann sogar unterscheiden, ob eine Welle durch Wind oder ins Wasser gefallene Insekten verursacht wird. Blitzschnell überwältigt sie ihren Fang, der sogar Stichlingsgroß sein kann.
Schlaraffenland und Müßiggang




Die frische Waldluft ist von Pilzduft erfüllt. Im Herbst wird der Laubwald zur Schatzkammer an Leckerbissen. Früchte purzeln tausendfach hinab und locken Baumbewohner aus ihrer Deckung. Bucheckern prasseln auf raschelndes Laub, Eicheln verlassen in Schnäbeln den Baum. Man glaubt es kaum, ein einziger Eichelhäher kann tausende Früchte verstecken. Hier sind gerade drei im Wettbewerb. Lautstark geht es hin und her, fliegen sprichwörtlich die Federn. Wer wohl die meisten Verstecke schafft?
Wieselflink klettert ein Eichhörnchen den Stamm hinunter, seine Wintervorräte vergräbt es im Wurzelbereich.
Ein Wintergoldhähnchen sammelt Insekten vom Blatt, ohne Fernglas ist der kleinste unserer Vögel kaum zu entdecken. Die Sonne scheint durchs goldgelbe Blätterdach, kitzelt die Nase und wärmt das Gesicht. Stehen bleiben, Augen schließen, Stille genießen. Bei sich sein und eins mit der Natur.
Und noch einer steht jetzt in der Blüte seines Lebens. In Wäldern und Parks, an Häuserwänden und Zäunen tummeln sich unzählige Insekten vor Hunderten Efeublüten. Die gelb-grünen Dolden laden an ihre Nektarbar und die Gäste kommen zahlreich. Zu verlockend ist der herbe Duft. In der wärmenden Nachmittagssonne flattern Admiral-Falter, tummeln sich Hummeln, fliegen Bienen, tanzen Schwebfliegen, brummen Hornissen. Ein harmonisches Bild. Doch es geht auch anders. Eine Wespe verfängt sich im Netz der Kreuzspinne und die Lauernde schlägt gnadenlos zu. Gefesselt, gelähmt und zum Paket verpackt, ruckzuck ist ihr Schicksal besiegelt. Kleine Dramen auf dem Nebenschauplatz. Bis Ende November sprudelt die Nektarquelle des immergrünen Efeus, die der anderen sind längst versiegt.
Auf dem Zug








Hinter dem Deich liegt die Elbe friedlich in ihrem Bett. Weite Sandstrände prägen das Bild. Am Ufer stochern Bekassinen im Schlick, orten, tasten, schnappen zu. Auf der Suche nach Leckerbissen bohren sich die langen Bleistiftschnäbel pausenlos in den Boden. Einmal gestört, reagieren sie in Schnepfenmanier und fliegen laut rätschend davon. Vielleicht wird es sie nach Südfrankreich ziehen, vielleicht aber auch nicht. Milde Winter führen zunehmend zum Reiseverzicht.
In diesen Tagen sind flussnahe Lufträume von Flötentönen erfüllt. Elbe, Havel, Oder, an großen und kleinen Flüssen rasten Uferläufer, Regenpfeifer und Co. um Kraft zu tanken.
Kräftige Trompeter sind ebenfalls auf dem Weg. Lange Kranichketten ziehen über das Land und besonders gespannt darf man am Abend sein: Wenn die Vögel noch nicht im Blickfeld, aber im Ohr der Beobachter erscheinen, ihr Kommen unter freudiger Anspannung erwartet wird und diese sich glückselig löst, wenn die großen Grauen mit lang gestrecktem Hals über die Waldgrenze fliegen und langsam wie Fallschirmspringer zu Boden trudeln. Trupp für Trupp trifft am Schlafgewässer ein und mit ihnen tausende Stare, die ihre Nacht im Schilf verbringen. Es dauert noch eine Weile, bis am Moorsee Nachtruhe einkehrt.
Mystisches Moor
Am nächsten Morgen wird die Schönheit der Moore spürbar. Mystisch und geheimnisvoll, entfalten sie im Herbst ihren ganz eigenen Zauber. Nebelschwaden, Wasserdämpfe und von Tau getränkte Spinnennetze, die bleiern zwischen den Halmen hängen. Auf einem Blatt hat eine Libelle die Nacht verbracht. Von Tautropfen überzogen, starr und unbeweglich. Die Sonnenstrahlen wärmen und in einem unerwarteten Moment wird sich die Azurjungfer die Nässe aus den Flügeln schütteln.
Am alten Torfstich bringt der Biber seine Burg auf Vordermann. Frisches Holz, nasser Schlamm und gut genutzte Trampelpfade zeugen von nächtlicher Bauaktivität. Wetterfest machen steht auf dem Programm, dann kann der Winter kommen. Vor dem Eingang unter Wasser stecken Zweige im Schlamm, Vorratshaltung nach Biberart.
Winterherbst




Wenn der stürmische November hohe Wellen schlägt, ist der Winter nicht weit. Schlussakkord im Herbstkonzert. Kalte, dunkle Tage signalisieren Ruhezeit. Die Vorratslager sind gefüllt, Reserven angelegt. Einzug ins Winterquartier. Baumhöhlen, Burgen, Erdnester, Holzstapel und Nistkästen werden zu Schlafplätzen, manche für Wochen, andere für eine Nacht.
Die Aktiven trotzen der entbehrungsreichen Zeit und verbringen den Tag mit der Nahrungssuche. Im Schilf angeln Bartmeisen nach Samen, am See mischen Seeadler Gänsetrupps auf, in der Dämmerung jagen Schleiereulen nach Mäusen, Sperber werden in der Nähe von Sperlingen beobachtet. Wer weiß, wo und wann, kann die herbstliche Natur in vollen Zügen genießen. Gern auch mit unseren Rangern
Text und Fotos: Ricarda Rath, Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg.