Bunte Gaukler im BlütenmeerTagfalter-Monitoring: Wie Ranger Schmetterlinge zählen

Sonnenschein, nur wenige Wolken am Himmel, kein Windhauch bewegt ein Blatt: ein perfekter Schmetterlingstag. Denn für das Zählen und Bestimmen der Tagfalter darf es nicht zu warm sein und nicht zu windig. Als ich mich am frühen Nachmittag zur Zählung aufmache sind meine Erwartungen groß. Welche Arten fliegen und in welcher Zahl? Schmetterlinge sind Sommerboten, doch hohe Quoten erreichen sie längst nicht mehr. Wiesenverlust durch Ackernutzung, fehlende Wegraine, statt dessen Monokulturen und Schadstoffbelastung. Ursachen gibt es viele, die Liste ist lang. Fakt ist, das Landschaftsbild wandelt sich. Wo genau liegen die Verluste und welche Wechselwirkungen begünstigen sie? Bisher gibt es bundesweit kein einheitliches Bild, die Karte ist lückig, hat weiße Flecken. Damit sich das Mosaik weiter zusammensetzen kann, beteiligt sich auch die Naturwacht am bundesweiten Tagfalter-Monitoring.

Die Falterinventur wurde vor 15 Jahren vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung ins Leben gerufen. Sie lebt von der Vielzahl ihrer Mitwirkenden, mittlerweile sind es Hunderte. Jahr für Jahr, Monat für Monat, Woche für Woche. Nach einheitlichen Methodenstandards von Anfang April bis in den Oktober hinein. Welche Arten schwinden, oder breiten sich aus und wie entwickeln sich ihre Bestände? Die kontinuierliche Datensammlung ermöglicht fundierte Aussagen zu Arten und den Schutzmöglichkeiten ihrer Lebensräume.

Mittlerweile bin ich auf meinem Transekt angekommen, es liegt in einer Feuchtwiese im Niedermoor. Eingeteilt in fünf Abschnitte, die ich langsam durchschreite, damit meinem Blick kein Falter entgeht. Heute bin ich gespannt, ob der Kleine Fuchs auf der Artenliste steht. Der einstige Allerweltschmetterling macht sich rar und ist nur noch selten zu beobachten.

Ein anderes Phänomen: Der seltene Große Fuchs - ein Verwandter des Kleinen - konnte im Frühjahr vielfach beobachtet werden. Expert*innen gehen davon aus, dass der milde Winter ihm frühes Erscheinen bescherte. Im vergangenen Jahr warf hierzulande die Invasion der Distelfalter Fragen auf, üppiges Pflanzenwachstum in Asien war die Antwort darauf. Es nährte überdurchschnittlich viele Raupen und ja, auch Schmetterlinge sind Weltenbummler.

Was wird der Sommer bringen? Der warme April wurde zum Wonnemonat und ließ die Schmetterlinge zeitig gaukeln. Im wolkig windigen Mai versteckten sie sich gelegentlich, denn Schmetterlinge sind echte Sonnenanbeter. Kommt sie hinter den Wolken hervor, schweben Zitronenfalter, Tagpfauenaugen, Feuerfalter, gefolgt von Bläulingen, Weißlingen, Zipfelfaltern, Ochsenaugen, Dickkopffaltern und viele mehr.

Mit zunehmender Blütenvielfalt wird es auch bei den Schmetterlingen bunter. Im Blütenmonat Juni stehen die Chancen sehr gut. Distelfalter, Landkärtchen, Mauerfüchse, Scheckenfalter und der Schwalbenschwanz, sie alle fliegen wenn es blüht und nicht große oder kleine Mäher vielfältige Wiesen kontinuierlich in monotone Grünflächen verwandeln. Ob Sportrasen oder Futterwiese, der Insektenvielfalt dienen sie nicht.

In der Moorwiese blüht es noch. Sumpfvergißmeinicht, Hahnenfuß, Klappertopf, Fieberklee und Sumpfblutauge, in den Hochstaudenfluren am Gewässerrand blühen über den Sommer Blutweiderich und Wasserdost. Bis hier Mäher fahren, werden noch Wochen vergehen. Erst spät wird gemäht und damit Pflanzenreichtum erhalten. Heute bestimmen Wiesenvögelchen und Feuerfalter das Bild. An einer Distel entdecke ich den Baumweißling. Hübsch geadert und erst aus der Nähe genau zu erkennen.

Der perfekte Schmetterlingstag wird von strahlender Sonne begleitet und vom Regenwunschgedanken in meinem Kopf. Das Grün der Moorwiesen, die bunten Farbpaletten und Düfte können sich schnell in dürre Wiesenlandschaften wandeln. Der Mai trug ein wenig mehr Regen in den Wolken, aber längst nicht genug. Die Trockensommer der letzten Jahre ließen die Falterbestände schwinden, besonders jene mit Spätsommergeneration, deren Futterpflanzen schlicht vertrocknet sind. Der Kleine Fuchs macht sich auch heute rar, sein Abwärtstrend ist gerade nicht aufzuhalten. Oder doch? Mit dem Monitoring liegen die Verluste auf der Hand, werden erkannt und wissenschaftlich fundiert, wirken wir ihnen hoffnungsvoll entgegen, damit die bunten Gaukler im Blütenmeer nicht aus dem Landschaftsbild verschwinden.

Text und Fotos der Tagfalter: Ricarda Rath, Rangerin im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg

Fotos (3): Johannes Müller/ Naturwacht

Infobox: Transekt

Ein Transekt ist eine (lineare) Strecke von Messpunkten, die ganz unterschiedlich lang sein kann. Entlang dieser Strecke werden nach einer festgelegten Methode zum Beispiel Tagfalter gezählt. Vor allem für das Monitoring standorttreuer Arten oder Arten mit einem relativ geringen Aktionsradius werden Transekte genutzt.

Transektuntersuchungen können relativ einfach wiederholt werden, deshalb sind sie für Langzeitstudien gut geeignet. Bei Tagfaltern funktioniert das dann so: Man schreitet das gewählte Transekt langsam und gleichmäßig ab und registriert alle Falter, die rechts und links des Weges (bis etwa 2,5 Metern) sowie Meter davor zu sehen sind. Auch Futterpflanzen werden auf Raupen oder Eier hin untersucht.

Infobox: Tagfalter-Monitoring Deutschland

Seit Frühjahr 2005 werden Tagfalter in ganz Deutschland systematisch erfasst. Jahr für Jahr bestimmen und zählen Freiwillige bei regelmäßigen Begehungen entlang festgelegter Strecken (Transekte) alle tagaktiven Schmetterlinge.

Durch eine einheitliche Methodik ist es möglich, die Trends der Bestandsentwicklung von Faltern in verschiedenen Ländern zu vergleichen und auch länderübergreifend auszuwerten.

Die Initiative für den Start des Tagfalter-Monitoring in Deutschland ging vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung aus, das in enger Kooperation mit der Gesellschaft für Schmetterlingsschutz e.V. die bundesweite Koordination übernimmt.

Quelle: Tagfalter-Monitoring Deutschland. Hier finden Sie auch weitere Informationen.

Ihr Kontakt

Ralf Klusmeyer
Sachgebietsleitung Monitoring
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