Naturerbeflächen im und um das FFH-Gebiet "Niederoderbruch"Flächen in den zwei Landkreisen Märkisch-Oderland und Barnim
Das FFH-Gebiet ist naturräumlich dem Oderbruch und somit dem Odertal zugeordnet. Die Stiftungsflächen liegen zu nahezu gleichen Anteilen in den zwei Landkreisen Märkisch-Oderland und Barnim.
Gebietsbeschreibung
Eine detaillierte Beschreibung zum FFH-Gebiet gibt der FFH-Managementplan-Entwurf (LUGV 2015), der als Grundlage für die nachfolgenden Ausführungen herangezogen wurde. Das FFH-Gebiet ist naturräumlich dem Oderbruch und somit dem Odertal zugeordnet. Die Nordgrenze des FFH-Gebiets bilden der Finowkanal, Oder-Havelkanal und Oderberger See. Ein Deich, der die Niederung durchzieht, bildet im Osten und Südosten die Gebietsgrenze. Administrativ befindet sich der Großteil des FFH-Gebiets im Landkreis Barnim (Gemeinde Liepe, Oderberg), die Flächen östlich der Alten Finow und südlich des Oderberger Sees gehören zum Landkreis Märkisch-Oderland (Gemeinde Bad Freienwalde).
Entwicklung
Bis Mitte des 18. Jahrhunderts floss der Hauptlauf der Oder noch mäandrierend am östlichen Rand des Gebiets um die Neuenhagener Oderinsel herum. Das heutige FFH-Gebiet "Niederoderbruch" war Teil der Oderaue und befand sich im direkten Überflutungsbereich des ehemaligen Hauptlaufs der Oder. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ließ Friedrich II. den Odermäander mittels Durchstich verkürzen, wodurch der Hauptlauf ca. neun Kilometer nach Osten (Hohenwutzen) verlegt wurde. Anhand der heutigen Alten Oder lässt sich der frühere Lauf noch erahnen, sie ist inzwischen vollständig vom Oderhauptlauf abgetrennt. Weitere deutliche Änderungen des Wasserhaushaltes wurden durch den frühen Ausbau der Finow zum Finowkanal, den Deichbau und damit das Abtrennen der Aue vom Oderstrom, sowie die Anlage erster Gräben bewirkt. Nun war eine erste Nutzung der Sumpflandschaft als Grünland möglich. Es waren aber noch zahlreiche Altarme, Seitenarme und Kleingewässer vorhanden. Die nächste gravierende Veränderung erfolgte im Zuge der Komplexmelioration in den 1970er Jahren und führte zur deutlichen Absenkung des Grundwasserspiegels und zum Verlust von Oberflächenge-wässern. Gewässer haben heute noch einen Anteil von ca. 20 Prozent an der Gesamtfläche, was zwar immer noch beachtlich ist, aber doch deutlich weniger als vor der Komplexmelioration und vor dem Oderdurchstich ist. Der Vergleich der Schmettauschen Karte (1767-1787), auf der der verlagerte Oderlauf schon erkennbar ist (Abb. 1), mit der aktuellen topographischen Karte (Abb. 2) verdeutlicht dies.
Als Folge der Komplexmelioration war nun eine intensive Grünlandnutzung möglich. Heute sind die Grundwasserstände im Gebiet stark vom Wasserstand der Alten Finow und dem des Oder-Havel-Kanals, der den Oderberger See durchfließt, abhängig. Die Wasserstände der Alte Finow werden durch das Schöpfwerk Liepe und die des Oder-Havel-Kanals/Oderberger Sees durch das Wehr in Hohensaaten geregelt. Die Alte Finow ist Vorflut für ein weit verzweigtes Netz von Meliorationsgräben im Westteil des FFH-Gebiets. Trotz des heute bestehenden umfangreichen Entwässerungssystems sind die Grundwasserflurabstände meist kleiner als 0,7 Meter, so dass die landwirtschaftlichen Nutzflächen vor allem rechtseitig der Alten Finow nur eingeschränkt nutzbar sind.
Auenflächen
Die Auenflächen nördlich des Deichs fungieren als Retentionsflächen. Sie sind als Überschwemmungsflächen für 10- bzw. 20-jährige Hochwasserereignisse (HQ10, HQ20) ausgewiesen, hier hat der Hochwasserschutz Vorrang gegenüber allen anderen Vorhaben.
Unter Berücksichtigung der gegebenen hydrologischen Veränderungen würden sich nach HOFFMANN & POMMER (2005) auf den mineralisch geprägten Auenböden bei landwirtschaftlicher Nutzungsaufgabe Erlen-Eschen-Flatterulmenwälder der regulierten Stromaue als potenzielle natürliche Vegetation entwickeln.
Heute befinden südlich des Oder-Havelkanals und Oderberger Sees in den Grundwasserflur nahen Bereichen große Verlandungsbereiche, in denen Weidengebüsche, Auwaldreste, Erlenvorwälder, Moor- und Bruchwälder, Kleingewässer, Altarme und Grünland eng miteinander verzahnt sind. Die nassen bewaldeten Standorte werden von Großseggen-Erlenwald dominiert, in trockeneren Bereichen prägt die Brennnessel die Krautschicht. Auf den schichtweise aufgelagerten Auentonen- und –torfen der meliorierten Aue im Süden und Westen des Gebiets herrscht Grünland vor. Ackerflächen sind hingegen nur an der Ostgrenze des FFH-Gebiets auf schweren Auentonen zu finden. Die Grünlandstandorte sind nur noch selten als reiche Feuchtwiesen und –weiden ausgeprägt. Der überwiegende Teil sind relativ artenarme Frisch- oder Fettweiden. Bei kleinflächigen Reliefwechseln mit Senken sind aber auch hier mosaikartig Pflanzengesellschaften der Feuchtgrünländer zu finden.
Insgesamt umfassen die Flächen des Nationalen Naturerbes (NNE) 56,7538 Hektar. Darin ist auch eine 0,6880 Hektar große Fläche enthalten, die sich im benachbarten FFH-Gebiet "Oder-Neiße Ergänzung" in der Gemeinde Falkenberg befindet, aufgrund der räumlichen Nähe aber dem Gebiet "Niederoderbruch" zugeordnet wurde. Darüber hinaus besitzt die Stiftung Naturschutzfonds weitere 6,2897 Hektar, die den NNE-Bestand im FFH-Gebiet "Niederoderbruch" arrondieren. Insgesamt befinden sich gut 63 Hektar im Stiftungseigentum.
Die NNE-Flurstücke im FFH-Gebiet "Niederoderbruch" liegen verstreut und grenzen nur teilweise aneinander, so dass sie keine kompakte Gesamtfläche bilden.
Deichhinterland
Westlich der Alten Finow umfassen ein Kleingewässer und Grünländer im Deichhinterland, einen Teil des Deiches und Gehölze zwischen Deich und Finowkanal. Das Kleingewässer (FFH-LRT 3150) ist mit Hornblatt (Ceratophyllum submersum) sowie einer Schwimmdecke aus Wasserlinsen (Lemna minor) und Froschbiss (Hydrocharis morsus-ranae) besiedelt. Den Saum bildet ein breites Röhricht aus Schilf und Rohrkolben, das im Norden in ein Landröhricht übergeht und im Süden in ein sehr nasses Weidengebüsch. Mehrere zu- und abfließende Entwässerungsgräben aus den umliegenden Grünländern stehen mit dem Gewässer in Kontakt. Linksseitig der Alten Finow sind artenarme Fettweiden und ein Feldgehölz Teil des Naturerbes. Ein Teil des u-förmigen Deiches nahe dem Finowkanal ist ebenfalls eine Naturerbefläche. Der Deich ist mit einer lückigen Hybridpappelallee bepflanzt. Außerdeichs, im Überschwemmungsbereich des Finowkanals, grenzen Erlenbruchwälder und Weidengebüsche an, die teils sehr nass und urwaldartig ausgebildet sind und Primärstadien der Weichholzaue (FFH-LRT 91E0) darstellen. Landschilfröhrichte sind mit den Feuchtwäldern eng verzahnt. Zwischen Deich und Alter Finow grenzen die Feuchtwälder an eine Feuchtweide an. Nahe dem Deich auf Flurstück 5_41, Gemarkung Liepe, befindet sich ein Schuppen, der vom örtlichen Jagdpächter genutzt wird. Mittelfristig wird ein Rückbau des Schuppens angestrebt.
Die Alte Finow selbst ist auf ca. drei Kilometer Länge, ab südlicher Gemeindegrenze Liepe bis zur Lieper Schleuse, ebenfalls Teil der NNE-Flächen. Auf diesem ca. 1,5 Meter tiefen Fließabschnitt (FFH-LRT 3260) durchfließt sie Grün- (linksseitig) und Ackerland (rechtsseitig). Sie nimmt das Wasser zahlreicher Entwässerungsgräben auf und weitet sich von anfangs ca. fünf bis sieben Meter auf bis zu 20 Meter an der Lieper Schleuse auf. Gegenüber ihrem früheren Lauf ist sie begradigt, ein Altarm wurde abgetrennt und ist verlandet. Dennoch ist das nährstoffreiche Gewässer relativ strukturreich. Am Ufer wechseln sich Großröhrichte (Phragmites australis, Typha latifolia) und Kleinröhrichte (z.B. Glyceria maxima, Sparganium erectum, Berula erecta, Myosotis palustris) ab. Teilweise reichen Teichrosenfluren (Nuphar lutea) weit in das Gewässer hinein. Auch Schwimmpflanzen wie Lebermoos (Riccia fluitans), Wasserlinsen (Lemna minor) und Froschbiss (Hydrocharis morsus-ranae) treten auf. Unterwasser kommen in lückigen Mosaiken verschiedene Wasserpflanzen (Myriophyllum verticillatum, Ceratophyllum demersum, Potamogeton perfoliatus, P. pectinatus, Ranunculus circinatus, Utricularia vulgaris, Callitriche palustris agg.) vor. Die Ufer werden teilweise von Pappeln und Weiden beschattet.
Überschwemmungsflächen
Die NNE-Flächen östlich der Alten Finow in der Gemarkung Bralitz befinden sich im Bereich der Überschwemmungsflächen des 10- und 20-jährigen Hochwassers. Sie umfassen einen ausgedehnten Erlenbruchwald (FFH-LRT 91E0) mit zahlreichen offenen Nassstellen und zwei schwer zugänglichen Kleingewässern (FFH-LRT 3150). Dieser Auenwaldrest ist mit nassen/moorigen Weidengebüschen und Schilfmooren verzahnt. An den Rändern grenzen feuchte bis frische nährstoffreiche Grünländer an, auf denen sich z.T. ebenfalls NNE-Flurstücke befinden. Nach Südosten hin werden die Flächen trockener. Dort befindet sich in Deichnähe ein sandiger Intensivacker, an dem NNE-Flächen ebenfalls Anteile haben. In dem Mosaik aus Feuchtwäldern, Röhricht, Grünländern und Ackerland befinden sich weitere Stifungsflächen sowie Flächen, die derzeit von der Stiftung erworben werden. Diese zusätzlichen Flurstücke arrondieren z.T. den NNE-Bestand in der Gemarkung Bralitz.
Ein Großteil der Grünlandflächen ist Bestandteil eines Pachtvertrags. Durch Nutzungstausch der zerstreut liegenden Grünlandflurstücke können die NNE-Kriterien auf einem kompakten ca. 11,5 Hektar großen Grünland in der Gemarkung Bralitz umgesetzt werden.
Bei dem einzigen Flurstück im FFH-Gebiet "Oder-Neiße-Ergänzung" handelt es sich um eine grasige staudenreiche Böschung linksseitig der Alten Oder. Am Ufer befindet sich eine lockere Erlenreihe. Der nördliche Bereich wird als Lagerplatz für Mähgut während der Böschungsmahd genutzt.
Schutzstatus und Schutzgüter
Ein Großteil der Flächen befindet sich innerhalb des NSG und FFH-Gebiets "Niederoderbruch" und eine Fläche ist Teil der FFH-Gebiets "Oder-Neiße Ergänzung". Zudem befinden sich alle Flächen im Südosten des Biosphärenreservates, LSG und SPA "Schorfheide-Chorin".
Geschützt nach § 30 BNatSchG sind alle vorkommenden Gewässer- und Feuchtwaldbiotope. Ein Großteil dieser Biotope ist zugleich Lebensraumtyp nach FFH-RL oder könnte zu einem FFH-LRT entwickelt werden.
Faunistisch ist das Gebiet vor allem für die FFH-Anhang-II-Arten Biber und Fischotter von herausragender Bedeutung. Beide Arten finden günstige Lebensbedingungen und besiedeln das gesamte Gebiet. Für den Biber ist das Gebiet nahezu optimal. Er ist an allen Gewässern zu finden und schafft sich durch Staue neue Habitate. Es ist die dichteste Biberpopulation im Biosphärenreservat.
Vorkommende Fledermausarten sind Großer Abendsegler, Wasserfledermaus, Fransenfledermaus, Rauhaut-, Zwerg- und Mückenfledermaus (alle FFH-Anhang IV), die das Mosaik von Wasser, Offenland und Gebüschen vor allem als Jagdgebiet nutzen.
Von Amphibien wird das wasserreiche Gebiet hingegen nur relativ schwach besiedelt. Die FFH-Anhang-II-Arten Rotbauchunke und Laubfrosch treten nur an Einzelgewässern auf. Als Ursache werden die Wanderbarrieren Oderberger See und der Oder-Havel-Kanal gesehen, das Vorkommen von Fischen in zahlreichen Gewässern (Fraßfeinde), sinkende Wasserstände und damit ein frühes Austrocknung von Kleingewässern sowie die Strukturarmut der Grünländer.
In der Alten Finow findet vor allem der Bitterling (FFH-Anhang II) gute Lebensbedingungen, seltener kommen hingegen Steinbeißer (FFH-Anhang II) und Karausche (RL-D 2) vor.
Auf Flussampfer-Beständen entlang der zahlreichen Gräben im Gebiet ist der Große Feuerfalter, ebenfalls eine FFH-Anhang-II-Art, durch Eiablage belegt. Im Niederoderbruch wird eine zusammenhängende Population vermutet. Die Grabenunterhaltung stellt jedoch ein Problem für die Art dar.
An geschützten Vogelarten nach Anhang I der Vogelschutzrichtlinie sind vor allem Offenlandarten wie der Wachtelkönig, Braunkehlchen, Kiebitz, Kranich und Wiesenpieper zu nennen. Höhere Gebietswasserstände würden sich auch auf diese Artgruppe positiv auswirken und die Besiedlung durch Limikolen befördern.
Bestehende Planungen
Für das FFH-Gebiet "Niederoderbruch" liegt seit 2015 ein FFH-Managementplan-Entwurf vor. Für den nördlichen Teil des FFH-Gebiets "Oder-Neiße-Ergänzung" gibt es bisher keinen Managementplan. Der Pflege- und Entwicklungsplan für das Biosphärenreservat "Schorfheide-Chorin" ist noch in Bearbeitung.
Leitbild und Naturschutzziele
Der Managementplan für das FFH-Gebiet "Niederoderbruch" sieht zwei Entwicklungsszenarien vor.
Szenario A: Wiederherstellung eines naturnahen Wasserstandes durch Aufgabe der Schöpfwerke und Rückbau von Entwässerungsanlagen. Dies hätte eine Überflutung niedrig gelegener Flächen und eine nur noch sehr extensive Grünlandnutzung höher gelegener Bereiche zur Folge. Auf nassen Offenlandbereichen würden sich nährstoffreiche Großseggen- und Röhrichtbestände entwickeln. Profitieren würden Auenwälder, Stand- und Fließgewässer sowie Arten wie z.B. Rohrdommel und Seggenrohrsänger. Aufgrund der derzeitigen Eigentumsverhältnisse ist dieses Ziel zum aktuellen Zeitpunkt unrealistisch und müsste im Rahmen eines Großprojektes umgesetzt werden. Die Stiftung Naturschutzfonds kann ihre Flächen jedoch für diesen Zweck vorhalten und damit eventuelle zukünftige Großprojekte unterstützen.
Szenario B: Dieses Szenario sieht eine Optimierung des Wasserhaushaltes durch Regulierung von Gräben, des Lieper Schöpfwerkes und ggf. einen Teilrückbau von Meliorationsgräben vor, um typische Habitate und Lebensräume zu erhalten und gleichzeitig eine landwirt-schaftliche Nutzung zu ermöglichen. Aber auch hier ist für die Umsetzung eine großräumige Betrachtung und Planung – weit über die Stiftungsflächen hinaus – erforderlich, so dass die Stiftung hier ebenfalls nur unterstützen könnte.
Für die Stiftungsflächen gelten folgende Leitbilder und Ziele:
- Erhalt und Entwicklung der Feucht- und Auen-Wälder (u.a. FFH-LRT 91E0) ohne forstliche Nutzung
- Erhalt und Entwicklung einer naturnahen Gewässerstruktur (FFH-LRT 3150, 3260)
- Natürliche Sukzession der Moore, Staudenfluren, Schilfröhrichte, Gebüschbereiche, Feldgehölze, Brachen (in Teilbereichen) sowie der Laubholzforsten
- Erhalt und Entwicklung des Gebietes als Lebens- und Rückzugsraum sowie potenzielles Wiederausbreitungszentrum wild lebender Tierarten, insbesondere für Amphibien und wiesenbrütende Vogelarten
- Erhalt und Entwicklung der Feuchtgrünländer durch Fortführung bzw. Optimierung der extensiven Nutzung durch Mahd und/oder Beweidung
- Entwicklung der Brachen (in Teilbereichen) zu artenreichen Wiesen oder Weiden durch Einbeziehung in eine extensive Nutzung
- Umwandlung der z.T. artenarmen Frisch- und Fettweiden in extensiv genutztes Grünland
- Extensivierung der ackerbaulichen Nutzung, ggf. Umwandlung in Extensivgrünland
- Soweit möglich Verbesserung des Landschaftswasserhaushaltes
- Insofern höhere Wasserstände, z.B. im Rahmen von Großprojekten, erreicht werden können, haben diese gegenüber der Nutzbarkeit von Flächen Priorität
- Soweit möglich Rückbau der vorhandenen Gebäude, Lagerflächen bzw. Infrastruktur oder Tausch bzw. Verkauf der Flächen und Reinvestierung in naturschutzfachlich wertvollere Flächen
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