Die BachmuschelEine ökologisch wertvolle Reinigungskraft

Die Bachmuschel war einst eine der häufigsten Großmuscheln in Europa. Ihre ökologische Funktion ist groß: Bis zu 85 Liter filtert eine erwachsene Muschel täglich und reinigt so Flüsse und Bäche.

Bevorzugt bewohnt die Bachmuschel saubere Fließgewässer mit sandigem, kiesigem und steinigem Grund. Dort ernährt sie sich von treibenden Algen, Bakterien und anderem organischem Material, das sie mit ihren Kiemen aus dem Wasser filtriert. Auf die gleiche Art nimmt sie auch Sauerstoff zum Atmen auf und reinigt dabei das Wasser von anderen Schwebestoffen.

Auf einen Blick

  • Name: Bachmuschel, Kleine Flussmuschel (Unio crassus)
  • Größe: 4 - 7 Zentimeter
  • Alter: bis zu 20 Jahre
  • Schutzstatus: EU: streng geschützt nach Anhang II und IV der FFH-Richtlinie | Rote Listen Deutschland und Brandenburg: „vom Aussterben bedroht“

Fortpflanzung

Fortpflanzungszyklus Bachmuschel Grafik: S. Deeg

Weibliche Bachmuscheln haben Bruttaschen (Marsupium) in ihren Kiemen, in denen sich jedes Frühjahr bis zu 200.000 Eier entwickeln. Geben die männlichen Bachmuscheln ihre Spermien in das Wasser ab, werden diese von den Weibchen mit der Atmung aufgenommen und die Befruchtung findet statt. Für eine erfolgreiche Befruchtung ist eine gewisse Bevölkerungsdichte der Muscheln notwendig, doch unter guten Umständen ist auch mehr als eine Brut pro Muschel pro Jahr möglich. Ist die Bevölkerungsdichte allerdings zu gering, sind beide Geschlechter zu weit voneinander entfernt und die Befruchtung bleibt aus.

Nach vier bis sechs Wochen schlüpfen die Muschellarven (Glochidien) und werden vom Muttertier abgesondert. Im Wasser müssen sie sich innerhalb von drei Tagen eine Mitschwimmgelegenheit bei bei ihren sogenannten Wirtfischarten, darunter Groppe, Elritze, Döbel und Dreistacheliger Stichling, suchen. Sollte eine passende Begegnung ausbleiben, sterben die Glochidien ab.

Bei ihrem Wirtsfisch quartieren sich die Glochidien im Gewebe der Kiemen und Flossen ein und entwickeln sich weiter zu Jungmuscheln – je nach Wassertemperatur kann dies zehn bis 35 Tage dauern. Die Fische selbst tragen keinen Schaden davon. Nach diesem Stadium setzen sich die Jungmuscheln von ihren Wirtstieren ab und vergraben sich im Gewässergrund. Bei guten Bedingungen (lückiges Substrat, hoher Sauerstoff- und niedriger Nährstoffgehalt) erreichen sie nach zwei bis vier Jahren die Geschlechtsreife. Jedoch sind sie während dieser Entwicklungsphase auch besonders vulnerabel gegenüber schlechten Bedingungen, und überleben bei zu hohem Nährstoffgehalt des Wassers oder schlammiger Flusssohle nicht.

Gefährdung

Sedimenteintrag: Von landwirtschaftlich genutzten Flächen landen Feinsedimente direkt in angrenzenden Gewässern. Dort lagern sie sich in das lückige Substrat der Flosssohle und blockieren eine ausreichende Sauerstoffversorgung der Jungmuscheln.

Nährstoffeintrag: Bachmuscheln sind sehr nährstoffsensibel. Sind die Nitrat- und Nitrit-Werte im Wasser zu hoch, stellen die erwachsenen Muscheln die Fortpflanzung ein. Bei Jungmuscheln ist der Effekt noch drastischer – in dieser vulnerablen Entwicklungsphase gehen sie bei hohen Nitrat- und Nitrit-Werten ein.

Gewässerausbau: Hierzu zählen die Begradigung von Fließgewässer sowie der Verbau von Querbauwerken wie Schleusen und Wehren. Durch begradigte Flussläufe gehen viele Aspekte von natürlichen Gewässerläufen verloren, doch bezogen auf Bachmuscheln sind folgende besonders zu nennen: Durch das Fehlen von Kurven wird loses Material wie Sand und Kies stetig mitgetragen und kann sich nirgends festsetzen. Das stellt besonders für die erwachsenen Bachmuscheln ein Problem dar, da sie „auf festem Fuß“ stehen müssen. Querbauwerke ohne Fischtreppen beeinflussen passiv das Leben der Bachmuscheln, da sie für die Wirtsfische eine unüberwindbare Barriere darstellen und diese so nicht im Gewässerverlauf wandern können.

Fischerei: Ohne passende Wirtsfische im richtigen Alter können sich Bachmuscheln nicht erfolgreich fortpflanzen und verbreiten. Fehlen die Wirtsfische, hört der Fortpflanzungszyklus der Muscheln im Larvalstadium auf. Elritze, Groppe und Döbel sind die einheimischen Wirtsfische in Brandenburg, doch auch hier ist die Population aufgrund einer generellen Verschlechterung des Lebensraums und der fehlenden ökologischen Durchgängigkeit in den letzten Jahrzehnten kleiner geworden. Auch das Alter der Wirtsfische spielt eine Rolle, denn ältere Fische sind resistenter gegen eine Glochidien-Infektion, bei Jungfischen gelingt das eher. Zwar werden Gewässer für die Hobbyfischerei mit Fischen besetzt, doch handelt es sich dabei häufig um als Wirtsfisch unpassende Arten (z.B. Forelle) oder Fische unpassenden Alters.

Gewässerunterhaltung: Gewässer werden je nach Nutzung unterschiedlich unterhalten. Probleme stellen sich für die Bachmuschel ein, wenn Strukturen wie Totholz entnommen werden. Wichtige Strömungen und daraus entstehende Lebensräume verschwinden dadurch im Fluss. Ebenso kann die Mahd der Wasserpflanzen eine Gefährdung verursachen, wenn Muscheln samt Pflanzen aus dem Wasser geräumt werden. Ein zu starkes Aufkommen von Wasserpflanzen beeinflusst auch die Strömung negativ. Deswegen stellt eine Mahd eine kurzfristige Maßnahme zur Verbesserung des Lebensraums Fluss dar. Langfristigere Maßnahmen, wie das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern zur Beschattung sowie zur Reduzierung von Nährstoff- und Sedimenteinträgen sind im Rahmen dieses Projekts vorgesehen.

Neozoen/Prädatoren: Invasive Arten wie Bisam dezimieren die bereits kleinen Bachmuschelpopulationen vor allem im Winter, wenn es wenig andere Nahrungsalternativen gibt.

Vorkommen

Die Bachmuschel war einst in ganz Europa - die Britischen und Iberischen Inseln und Italien ausgenommen - bis zum Uralgebirge verbreitet. In Brandenburg kam sie ursprünglich in fast allen Fließgewässern vor, die sandige, kiesige oder steinige Gründe haben. Diese Bestände nahmen ab Mitte des 20. Jahrhunderts jedoch aufgrund vielfältiger Veränderungen ihres Lebensraumes ab. Mehr Information zu den Vorkommen in unseren Projekt hier.

Schirmart

Als Schirmart wird eine Tier- oder Pflanzenart bezeichnet, die in den Mittelpunkt von Schutzvorhaben gestellt wird und deren Schutz einen übergreifenden, positiven Effekt auf ihren Lebensraum und seine anderen Bewohner hat. So wird durch den Erhalt einer Art auch der von vielen anderen gefördert. Die Bachmuschel ist eine solche Schirmart für Fließgewässer.

Von den Maßnahmen zu ihrem Schutz und ihrer Verbreitung profitieren außerdem alle Flussbewohner, die durch die wieder geschaffene ökologische Durchgängigkeit, strukturreiche Flusssohle und bessere Wasserqualität artenarme Bereiche wieder besiedeln können. Dazu profitieren auch zahlreiche Tier und Pflanzenarten, für welche Uferbereiche der Gewässer ein Lebensraum ist, denn mit den Gewässerschutzstreifen und Uferbepflanzungen stehen ihnen mehr Rückzugsorte zur Verfügung. Insgesamt wird auch die Vielfalt und der Bestand von heimischen Fischarten wie Groppe, Elritze und Döbel steigen, denn als Wirtsfische werden die einst zahlreichen, doch nun eher selten gewordenen Arten wieder in die Gewässer eingesetzt.

Die Bachmuschel reagiert besonders empfindlich auf Verschlechterungen der Wasserqualität und der Flussbettstruktur sowie auf eine geringe Artenvielfalt im Gewässer. Deshalb schaffen wir geeignete Lebensräume sowohl für Muscheln als auch für ihre Wirtsfische.